Nachträgliche Gesamtstrafe

Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt (§ 53 Abs. 1 StGB). Diese Gesamtstrafe ist niedriger als die Summe der Einzelstrafen. Sie wird durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe gebildet (§ 54 Abs. 1 S. 2 StGB). Sie darf nicht die Summe der Einzelstrafen erreichen (§ 54 Abs. 2 S. 1 StGB).

Beispiel: Hat jemand am 1.1.2006 einen Betrug begangen und am 1.3.2006 einen Diebstahl und werden beide Taten am 1.10.2006 in einer Verhandlung abgeurteilt erhält der Täter möglicherweise eine Gesamtstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen, bestehend aus zwei Einzelstrafen zu je 45 Tagessätzen.

Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die nicht gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, bleibt es grundsätzlich bei diesen Einzelstrafen, deren Summe höher ist, als es eine Gesamtstrafe wäre.

Beispiel: Hat jemand am 1.1.2006 einen Betrug begangen der am 1.6.2006 abgeurteilt wird erhält er hierfür möglicherweise eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen. Hat er am 1.7.2006 einen Diebstahl begangen, der am 1.11.2006 abgeurteilt wird, erhält der Täter hierfür möglicherweise eine weitere Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen.

Die Verurteilung zu mehreren Einzelstrafen wird als ungerecht empfunden, wenn bei zwei Verhandlungen die erste Verhandlung nach der zweiten Tat stattfindet. Der Täter war dann nicht vor der zweiten Tat gewarnt. In diesem Fall soll nachträglich eine Gesamtstrafe gebildet werden.

Beispiel: Hat jemand am 1.1.2006 einen Betrug begangen der am 1.8.2006 abgeurteilt wird erhält er hierfür möglicherweise eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen. Hat er am 1.7.2006 einen Diebstahl begangen, der am 1.11.2006 abgeurteilt wird, würde der Täter hierfür möglicherweise eine weitere Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen erhalten.
Wenn die erste Geldstrafe noch nicht vollstreckt ist, wird jedoch am 1.11.2006 für beide Taten eine nachträgliche Gesamtgeldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen gebildet.

Ich empfinde es allerdings wieder als etwas ungerecht, dass nun derjenige Täter benachteiligt wird, bei dem die erste Verhandlung so überdurchschnittlich früh angesetzt wird, dass nun die zweite Tat nach der ersten Verhandlung geschieht. Für diese Benachteiligung spricht aber, dass der Täter in diesem Fall durch die Verhandlung und Verurteilung gewarnt war.

Problem: Was ist in folgendem Beispiel:

Beispiel: Jemand hat am 1.1.2006 einen Betrug begangen der am 1.8.2006 abgeurteilt wird und erhält hierfür eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen. Am 1.9. zweiter Betrug. Am 1.7.2006 hat er einen Diebstahl begangen, der am 1.11.2006 abgeurteilt wird. Der Täter erhielt – da die erste Geldstrafe noch nicht vollstreckt war – für den ersten Betrug und den Diebstahl eine nachträgliche Gesamtgeldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen. Am 1.9.2006 hat er einen weiteren Betrug begangen. Am 1.12.2006 wird der zweite Betrug verhandelt. Eine Gesamtstrafe kann nun wegen des Wortlauts von § 55 Abs. 1 StGB (“vor der früheren Verurteilung begangen”) nicht mehr gebildet werden, da die Tat nicht vor der früheren Verurteilung vom 1.11.2006 begangen wurde.

Bei der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zäsurwirkung früherer Urteile zu beachten. Danach bildet das erste Urteil eine Zäsur, nach der die nachträgliche Gesamtstrafe nur für die vor der ersten Verurteilung liegenden Taten gebildet werden darf. Später erfolgte Taten sind als Einzeltaten abzuurteilen bzw. für sie ist eine weitere Gesamtstrafe zu bilden.

In dem Prozess 1 (April 2005) wurde eine Gesamtstrafe aufgrund der im Februar 2005 begangenden Delikte erlassen. Später stellt sich heraus, dass der Täter auch im März 2005 und im Mai 2005 verschiedene Delikte begangen hat. Daher können in dem Prozess 2 nun die im März 2005 begangenen Delikte in die erste Gesamtstrafe einbezogen werden, für die im Mai 2005 begangenen Delikte ist eine zweite Gesamtstrafe zu bilden.